Ganz wesentliche Eigenschaften eines Falls, eines Streckers oder einer Schot werden durch die Konstruktion der Leine und durch die verwendeten Materialien bestimmt. In diesem Blog-Beitrag möchten wir Ihnen die unterschiedlichen Konstruktionen und Rohstoffe kurz vorstellen:

Zunächst unterscheidet man zwei verschiedene Konstruktionen:

Geschlagenes Tauwerk

Die geschlagene (gedrehte) Konstruktion ist die wahrscheinlich älteste Machart und Basis für sehr viele Tauwerksorten, Garne und Drahtseile. Geschlagenes Tauwerk ist stark und bewährt. Es neigt allerdings zum "kinken". Das Seil darf sich nicht aufdrehen, sondern muss geschlossen bleiben - besonders wichtig bei Fasern mit glatter Oberfläche wie Polyester, Polyamid oder Polypropylen. Einfache Spleißbarkeit, günstige Herstellungskosten und die plastische Oberfläche werden den geschlagenen Seilen auch in Zukunft einen gewissen Marktanteil erhalten. Im Segelsport findet man geschlagene Tauwerksorten in der Regel noch als Festmacher oder Ankerleinen, in den meisten anderen Bereichen wurde es jedoch durch geflochtenes Tauwerk abgelöst.

Geflochtenes Tauwerk

Flechten ist die andere Basiskonstruktion für Tauwerk. Vom einfachen 8-fach-Geflecht bis zur komplizierten Kernmantel-Verbundkonstruktion aus unterschiedlichen Materialien können geflochtene Seile den jeweiligen Anwendungen optimal angepaßt werden. Die besten Eigenschaften findet man bei doppelt geflochtenen Seilen, bei denen Mantel und Kern geflochten sind. Hochwertige Schoten und Fallen sind heute in den meisten Fällen doppelt geflochtene Konstruktionen.
Eine große Zahl von Kombinationen der beschriebenen Konstruktionen sind möglich und viele davon auch an Bord im Einsatz.
Die Ansprüche an das in der Sportschiffahrt verwendete Tauwerk steigen ständig. Moderne Materialien wie z.B. Dyneema® mit geringen Reckwerten und höchsten Bruchlasten werden nicht mehr nur von Regattaseglern gefordert.

Und damit wären wir schon bei den Materialien, aus denen Tauwerk hergestellt wird:

DYNEEMA® / SPECTRA®

Hierbei handelt es sich nicht um Materialien, sondern um Markenamen der jeweiligen Hersteller. Das Ausgangsmaterial ist schlichtweg Polyethylen (wie bei einer Plastiktüte...). Dieses wird auf molekularer Basis verändert und zusätzlich in eine Richtung gedehnt. Dadurch wird die Bruchlast erhöht und gleichzeitig die Dehnung verringert. Daher weist Dyneema® die derzeit niedrigste Bruchdehnung aller Synthetikfasern auf.
Dyneema® bzw. Spectra® sind aufgrund ihres sehr niedrigen spezifischen Gewichtes schwimmfähig. Der einzige Nachteil dieser Fasern besteht darin, dass sie "kriechen", also unter Belastung eine dauerhafte Dehnung eintritt. Dyneema® und Spectra® werden deshalb vornehmlich als Kernmaterial in High-Tech-Tauwerk verwendet. Der Kern trägt die Last, während der Mantel lediglich als Schutz gegen Abrieb und Lichteinwirkung dient. Deshalb kann der Mantel beim "Abstrippen" durchaus entfernt werden, ohne dass sich die Bruchlasten nennenswert reduzieren. Dyneema® zeichnet sich zudem durch hohe Abriebfestigkeit und UV-Beständigkeit aus.
Aufgrund der vielen positiven Eigenschaften ist Dyneema® / Spectra® die am häufigsten verwendete High-Tech-Faser im Segelsport und kann für nahezu alle hochwertigen Leinen wie Schoten, Fallen und Trimmleinen eingesetzt werden.

Flüssigkristall POLYMER (LCP, VECTRAN®)

Flüssigkristallpolymere (LCPs) basieren auf sehr komplexen, modifizierten Polyesterketten. Hergestellt werden die Garne z.B. unter dem Markennamen "Vectran®" von Hoechst Celanese in den USA. Aufgrund des recht hohen Preises werden Leinen und Taue aus LCP fast ausschließlich im High-End-Einsatz verwendet. Dehnungsarmut bei höchsten Bruchlasten, sehr hohe Temperaturbeständigkeit und geringe Empfindlichkeit gegenüber Biegung über scharfe Kanten zeichnen Tauwerk aus LCPs aus. Der entscheidende Vorteil ist jedoch seine Kriechfreiheit. Leider jedoch ist die UV-Beständigkeit nicht sehr hoch, weshalb ein Mantel erforderlich, der auch nicht zur Gewichtsreduktion entfernt werden kann.
LCP/Vectran® ist eine kompromisslose High-Tech-Faser, die in erster Linie im sportlichen Regattabetrieb zum Einsatz kommt.

ARAMID (KEVLAR®, TWARON®)

Aramid-Fasern zeichnen sich durch höchste Bruchlasten bei fast völliger Dehnungsfreiheit aus. Allerdings sind sie empfindlich gegenüber UV-Strahlung (Sonnenlicht) sowie Biegung über scharfe Kanten. Auch die Abriebfestigkeit ist nicht sehr hoch. Daher spielen Aramidfasern im Segelsport nur eine Nebenrolle. Sie werden vor allem dort verwendet, wo eine hohe Temperaturbeständigkeit wichtig ist. Sie eignen sich gut für Winden, sollten jedoch aufgrund ihrer geringen Widerstandsfähigkeit gegen Biegung über scharfe Kanten nicht auf Stoppern verwendet werden. Produziert werden die Fasern z.B. von DuPont (Kevlar®) und Akzo (Twaron®).

PBO (Polybenzoxazole, KristallPolymer)

PBO ist eine High-Tech-Faser, die von Toyoba in Japan hergestellt wird. Sie kombiniert höchste Bruchlasten, hohe Temperaturbeständigkeit und Dehnungsarmut. Ihr Schwachpunkt ist jedoch die geringe Beständigkeit gegenüber Sonnenstrahlung. Aus diesem Grund kann PBO nur mit einem Mantel aus Polyester zum Einsatz gebracht werden. PBO-Fasern werden vornehmlich im professionellen Regattaeinsatz als Fallen und teilweise als Stage verwendet.

POLYESTER (PET)

PET (ja, im Prinzip das Material Ihrer Cola-Flasche) zeichnet sich durch gute Bruchlasten und Dehnungsarmut aus. Es bietet chemische sowie physikalische Vorteile wie z.B. Salzwasserbeständigkeit, gute Abriebfestigkeit (im trockenen wie im nassen Zustand) sowie gute Beständigkeit gegen Sonnenlicht. Daher wird bei der Herstellung von Yachttauwerk in vielen Fällen auf PET zurückgegriffen. Es dient als Material im Kern von Fallen und Schoten, Festmachern und Ankerleinen. Im High-Tech-Bereich wird Polyester als Mantelmaterial eingesetzt. Die hervorragenden Eigenschaften von Polyester sprechen für sich. Da Polyester sinkt, kann es auch für Ankerleinen verwendet werden.
Bei High-Tech-Tauen dient es als Mantelmaterial (Schutz gegen UV-Strahlung), bei einfacheren Tauen findet es auch im Kern Verwendung.

POLYAMID (PA)

Polyamid steht für hohe Bruchlasten, aber auch für hohe Dehnung. Die Abriebfestigkeit von PA ist in nassen Bedingungen besser als in trockenen, da die Faser zur Aufnahme von Wasser neigt (bis zu 7%). Bei zu langem Kontakt mit Nässe kann das Material steif werden. Ein weiterer Nachteil von PA gegenüber Polyester ist seine vergleichsweise geringere UV-Beständigkeit. Daher wird PA zusehends durch Polyester abgelöst. Allerdings sind Polyamid-Leinen in der Regel preiswerter als vergleichbare aus Polyester.
Polyamid findet deshalb noch häufig Verwendung bei einfacheren Leinen wie Festmachern und Universalleinen.

POLYPROPYLEN (PP)

Aufgrund seiner begrenzten Materialeigenschaften wird Polypropylen nur für einfache Anwendungen eingesetzt. PP ist äußerst leicht und sogar schwimmfähig. Seine Abriebfestigkeit und Temperaturbeständigkeit kann man als "ausreichend" bezeichnen.
Daher wird es vornehmlich für einfache Festmacher, Schwimm- oder Universalleinen verwendet.

Neben den oben beschriebenen Fasern gibt es noch einige, die jedoch im Segelsport derzeit keine nennenswerte Rolle spielen. Wir haben deshalb hier auf deren Beschreibung verzichtet.


Mit freundlicher Unterstützung der Fa. Teufelberger Fiber Rope, Wels